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Annette Urban, Mag.Phil, Bochum,

Vortrag anlässlich der Ausstellungseröffnung,

Alexander Pohl, Galerie Henseleit, 29.6.-26.8.2001

Regelmäßigen Besuchern der Galerie Henseleit wird Alexander Pohl kein Unbekannter mehr sein. Bereits zur Eröffnung der ersten Galerie von Frank Henseleit-Lucke, damals noch unter dem Namen Libelle, und in einer Ausstellung vor zwei Jahren unter dem Titel Neunzehnhundertneunundneunzig wurden die Bilder des Dortmunder Künstlers gezeigt. Nun ist aus Anlaß des dreijährigen Jubiläums der neuen Galerie am Vinckeplatz die dritte Einzelausstellung von Alexander Pohl mit neuen Werken zu sehen.

In diesem Rahmen erhalten Sie einen Überblick über das gesamte Spektrum von Alexander Pohls Arbeiten. Neben Bildern, die das Thema der visuellen Zeichen fortsetzen, stellt der Künstler erstmals in Dortmund eine Reihe von digitalen Fotografien aus, die den Titel Flowers trägt. Ebenfalls neu ist die Serie der kleinformatigen Kartenbilder, die Alexander Pohl zuerst als praktikable Methode des Malens auf Reisen für sich entwickelt hat. Und wie schon in vorangegangenen Ausstellungen beweist nicht zuletzt eine Installation, daß sich Pohls künstlerisches Denken nicht auf das klassische Tafelbild beschränkt.

Doch auch in den zuerst genannten Werken finden sich Ansätze zur Überwindung des zweidimensionalen Bildträgers. Die traditionelle Vorstellung vom Bild als einem offenen Fenster war ja auf engste mit einem trügerischen räumlichen Illusionismus verbunden: Das quasi Entkörperlichte, zur bloßen Öffnung reduzierte Bild gab wie ein Fenster den Blick auf einen perspektivisch konstruierten Bildraum frei.Alexander Pohls Bilder dagegen liegen weit jenseits des für die Malerei ehemals gültigen Nachahmungsgebots, das zu der eben beschriebenen Bildkonzeption führte. In seinen Arbeiten wird anstelle einer illusionistischen Räumlichkeit die Bildfläche durch einfache geometrische Formen markant artikuliert. Zugleich verleihen die besonders tiefen Keilrahmen, über die die Leinwand gespannt und damit gewissermaßen in die Tiefe fortgesetzt wird, dem Bild als solchem Objektcharakter.

Damit siedeln sich Pohls Arbeiten zwischen Malerei und Skulptur an und greifen eine Problemlage auf, mit der sich vor allem die Künstler der Minimal Art in den 60er Jahren beschäftigten. Den Ausschluß der Rückseite des Gemäldes erkannte bereits Jasper Johns als unhintergehbares Hindernis, das der Wahrnehmung des Bildes in seinem materiellen Objektstatus entgegenstand. In Reaktion auf Johns Flaggenbilder entwarf Frank Stella seinerseits seine frühen Black Paintings, in denen anhand von abgeknickten Streifen die Tiefenräumlichkeit im Bild als Illusionsbildung bewußt wird. Selbst bei avancierten Lösungen des Raumproblems in der Minimal Art wie bei Donald Judds Boxen handelt es sich eigentlich um in skulpturale Objekte transformierte Malerei, die sich letztlich vom rechteckigen Bildformat ableiten.Unter diesem Blickwinkel erscheint auch Alexander Pohls Vorliebe für das Quadrat und generell für orthogonale Zeichen, die sich in parallel zur Bildkante gesetzten Kreuzen und innerbildlich wiederholten Quadraten manifestiert, als Antwort auf das rechtwinklige System des Bildrahmens. Nebenbei bemerkt, steht die ständige Wiederkehr derselben visuellen Zeichen ebenfalls in der Tradition der Minimal Art, zu deren Grundkonzeptionen die Strategie der Wiederholung zählt. Durch die Wiederholung der Bildzeichen treten Pohls Arbeiten aus ihrer Isolation als Einzelbilder hinaus, in einen Dialog miteinander ein und schließen sich zu einer Serie zusammen.

Kommen wir zum Verhältnis von Form und Fläche zurück, so ist es zum richtigen Verständnis wichtig zu wissen, daß der Künstler nicht von separaten Einzelformen ausgeht, die auf dem Hintergrund plaziert werden. Er denkt vielmehr umgekehrt in Bildschichten, so daß die Formen aus partiellen Aussparungen in ansonsten flächendeckenden Übermalungen entstehen. In gewisser Weise kehrt damit das alte Rahmenmotiv in Pohls Arbeiten wieder, nur blickt man nicht durch ein geöffnetes Fenster etwa in eine dahinter liegende Landschaft. Statt dessen gewähren die Bilder Durchblicke auf die noch sichtbaren Partien der unter der Oberfläche liegenden Farbschichten und somit gleichsam auf frühere Bilder. Der zeitliche Aspekt des Schaffensprozesses bleibt auf diese Art präsent.

Mit dem Stichwort Oberfläche ist ein weiteres augenfälliges Merkmal der hier ausgestellten Bilder bezeichnet. Denn die Durchblicke auf untere Schichten werden nicht nur durch bildinterne Rahmungen ermöglicht, in manchen Werken geht Alexander Pohl so weit, die Oberfläche durch aggressive Einritzungen zu verletzen. Die dabei hinterlassenen Spuren werden zusätzlich durch nachträgliche Lasurschichten, aus denen sie hervorstechen, hervorgehoben. Hier ergibt sich ein Konnex zwischen dem Aspekt des Raums und dem Interesse für das Material, den sich in ähnlicher Weise die Informellen seit den 50er Jahren zunutze machten. Emil Schumacher beispielsweise verstand seine späteren verdichteten Materialbilder als Resultat einer Begegnung mit dem Material, dem er bewußt seinen Willen ließ. Gerade durch Einritzungen in die abstrakt gestalteten Bildflächen entwickelte sich eine eigene reliefartige Räumlichkeit der spezifischen Materialität.

Demgegenüber zeichnet sich Alexander Pohls Behandlung der Oberfläche allerdings weniger durch gestische Expressivität aus, als daß selbst die Verletzung noch eine Strukturelle Regelmäßigkeit verrät. Und auch das Interesse am Material ist nicht so sehr auf die reliefartige Wirkung von Aktionsspuren in pastösen Farbmassen gerichtet. Der Künstler arbeitet gerade in den Zeichenbildern vielmehr an neuen Materialqualitäten, die der durch den betonten Objektcharakter suggerierten Solidität entgegenwirken. Dazu dient ihm eine irisierende Materialwirkung, die er etwa durch eine Nachbehandlung mit dem "Kupferpinsel" oder die Verwendung von phosphoreszierender Farbe erzielt. Sowohl der metallische Firnis, der sich je nach Blickwinkel mehr oder weniger deutlich über den schwarzen Grund legt, als auch der Einfluß von Schwarzlicht auf entsprechend präparierte Farbflächen vermitteln den Eindruck von unfaßlicher, schwebender Immaterialität. Ebenso trägt die Olivinbeimischung unter dem zerriebenen Lavagestein, das für den charakteristischen schwarzen Grund von Alexander Pohls Black Paintings sorgt, dazu bei, das die Setzung der planen Fläche verunklärt wird. Statt einer eindeutigen und präzise im Raum zu lokalisierenden Bildebene dissoziiert die Fläche in Schichten, die zurück und solche die nach vorne treten. Das fluoreszierende Bildquadrat läßt sich im Schwarzlicht scheinbar vom Grund, erobert sich den Raum des Betrachters und verwischt so die klare Grenze zwischen Bild- und Betrachter-Raum.

Nicht zuletzt werden diese Materialien auch wegen ihres assoziativen Potentials verwendet. Darin kann man einen Einfluß von Antonio Tápies vermuten, der den Bildgrund z.B. aus Sand und gefärbtem Zement modellierte und dessen Farben die Skala der spanischen Erde von Ockerbraun bis Dunkelrot umfaßt. Bei Alexander Pohl korrespondiert die Elementarität des Gesteins als Bildmaterial mit dem Repertoire elementarer Zeichen, darunter das "Rahmenquadrat", das Ihnen in dieser Ausstellung mehrfach begegnet und das einer alten Zeichensprache zufolge für Grund, Boden bzw. Ort steht. Seit Pohls erster Einzelausstellung mit dem programmatischen Titel signs stehen Zeichen im Mittelpunkt seines künstlerischen Interesses. Einen wichtigen Hinweis gibt der Untertitel der damaligen Ausstellung: Illustrationen subjektiver Suggestion. Damit ist klar, daß in Pohls Arbeiten vom funktionalen Aspekt des Zeichens als Mittel der Kommunikation auf der Basis überindividueller Vereinbarung abgesehen wird. Dabei kehrt die Konventionalität der Zeichen gerade deshalb ins Bewußtsein zurück, weil der Code der hier verwendeten Zeichen entweder in Vergessenheit geraten oder überhaupt aus einer subjektiven Neuschöpfung entstanden ist. Der Kreuzesform zum Beispiel, die man im Sinne christlicher Symbolik oder aber als mathematisches Plus Zeichen zu lesen geneigt ist, unterlegt der Künstler nach Maßgabe eines anderen, auf die Höhlenmalerei (* 1) zurückgehenden Zeichensystems eine weitere Bedeutung als Paarungssymbol.

Mit dieser Anspielung auf das Körperliche läßt sich der Bogen schlagen zu einer Serie von Arbeiten, die sich ansonsten vom übrigen Werk zunächst einmal deutlich abhebt. Schon der Einsatz der digital bearbeiteten Fotografie unterscheidet die Werkgruppe der Flowers maßgeblich von den Gemälden, wenngleich der freie Umgang mit der Farbe trotzdem eine malerische Wirkung erzielt. Allein der wiederum betonte Objektcharakter der einzelnen Bilder schafft auf einer ersten Ebene den Anschluß an die anderen Arbeiten. Und das Material, in diesem Fall der Druck auf edlem und abschließend noch gewachsten Damast, übt auch hier einen eigenen suggestiven Reiz aus. Vor allem aber provozieren diese Bilder die Irritation des Betrachters, für den das Motiv, angeleitet durch den Titel, wie in einem Vexierbild zwischen floraler Prachtentfaltung und dem frontal aufgenommenen weiblichen Geschlecht oszilliert.

Nicht unerwähnt soll die neue Serie der Kartenbilder bleiben. Sie fügt sich nahtlos in die Kontinuität von Alexander Pohls Werk ein, da die als formale Konstante verwendete Maske, die über das hochformatige Rechteck des Kartenformats gelegt wird, das allgegenwärtige Quadrat wiederkehren läßt. Erneut zur Anwendung kommt auch das Prinzip der Aussparung, das nun zum Teil den Rahmen abgibt für Fragmente des ursprünglichen Kartenmotivs wie für ein Bild im Bild. Ebensowenig verzichtet Pohl bei diesen kleinen Arbeiten auf das Experiment mit ungewöhnlichen Materialien: Einige der Karten sind mit einer Schicht Schellack überzogen, was ihnen eine besondere diaphane Oberflächenqualität verleiht.

Zum Schluß möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Installation in der oberen Etage lenken, in der sich Objektformationen aus Ofenrosten und Feuerschale formal an das den Raum bestimmende Bilderpaar anlehnen. Wiederum ist das Material des Lavagesteins und eine elementare Symbolik gegeben, die auf Feuer und Erde anspielt. Durch das System von Korrespondenzen zwischen den Bildern und den Objekten erfahren die Kunstwerke eine Erweiterung in den Raum ganz im Sinn der Minimal Art, die ihrerseits den Bezug des Kunstobjekts auf seine architektonischen Rahmen, die Galerie, als weitere Möglichkeit erkannte, den materiellen Objektstatus von Gemälden zu erschließen. Alexander Pohls Bodenobjekt erscheint in einer Ambivalenz zwischen einer zu Füßen gelegten Malerei und einer begehbaren Skulptur, die im Umkehrschluß auch auf die Bilder an der Wand zurückwirkt.

 

Annette Urban

 

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